Hué – Die Stadt am duftenden Fluss

Hué begruesst uns freundlich und warm. Menschen sitzen auf den Strassen bei Ca Phe und Nudelsuppe. Motorraeder mit verliebten Pärchen fahren an unserem Taxi vorbei. Hier und da tauchen Touristen auf, die durch die Strassen flanieren.

Hué, die Stadt des duftenden Flusses zählt etwa 300 000 Einwohner. Historisch verlief hier einst die Demilitarisierungszone, die das Land teilte. Heftige Kämpfe fanden hier statt. Dies scheint lange vorbei. In den letzten Jahren hat sich die Stadt zu einem Touristenzentrum entwickelt und seit den 90er Jahren gehört die Hué zum Weltkulturerbe. Der Königspalast in Hué war jahrhundertelanges Zuhause vieler Königsdynastien. Und erbaut nach dem Vorbild der Verbotenen Stadt in Beijing. Tatsächlich ist die Region um die Stadt heute noch sehr arm. Viele ethnische Minoritäten leben in abgelegenen Dörfern. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen sind besonders für junge Leute sehr hart. Deshalb treibt es viele in die Stadt. Es gibt keine Zone mehr die das Land entzweit. Lediglich der duftende Fluss (Perfum River) teilt das kleine Städtchen zwischen Nord und Süd. Wobei auf der Südseite mehrheitlich arme Leute wohnen. Im nördlichen Stadtgebiet leben “die Reichen”. Und die Touristen.

Das Touristenviertel ist gut geschmückt. Ein kleines Touristenzentrum mit Bars und Restaurants, Backpackers und Kleider-und Souvenirläden. Unser Hotel liegt auch auf der Nordseite. Hotel ist nicht ganz das richtig Wort. Eigentlich ist es eine Hotelschule. Im Jahr 2000 wurde dieses, bis jetzt in Vietnam einmalige Projekt von Schule und Hotel, ins Leben gerufen. Ein Projekt der luxemburgischen Regierung. Auf Empfehlung wollten wir uns hier niederlassen und die Menschen die hier lernen und arbeiten kennenlernen. Doch vorerst machten wir uns auf Fahrrädern auf um die Stadt zu erkunden.

Sanfter Nieselregel fiel auf unsere Köpfe, während wir uns mit dem Verkehrsstrom bewegten. Wir schwammen mit und liessen uns treiben. Über die Brücke zur Südseite. Unser Ziel war eine weiteres Projekt aus Luxemburg zu besuchen, dessen Träger Aide au Vietnam ist. Das Zentrum für Strassenkinder liegt in der Chi Lang Strasse, Nummer 130. Wir trafen den Direktor der uns prompt ins Zentrum einlud. Der Regel fiel jetzt stärker und wir waren froh kurz Unterschlupf zu finden. Siebzehn Kinder und Jugendliche leben hier. Die Gründe warum sie hier leben sind unterschiedlich. Meist sind Armut oder der Tod der Eltern dafür verantwortlich, dass die Kinder im Zentrum sind. Die Finanzierung ist schwer und der Direktor ist noch nicht lange auf dem neuen Posten. Dies erschwert die Zusammenarbeit mit Luxemburg. Neben der Beherbergung der Kinder, gibt es hier auch ein kleines Strassenrestaurant. Eines von vielen. In den ersten Monaten lief das Restaurantprojekt gut. Doch die Konkurrenz auf dieser Stadtseite ist gross. Das Lokal fast kein Gewinn ab. Es bräuchte eine Standortveränderung, doch dies alles braucht auch Zeit. Und notwendige finanzielle Mittel. Wie die Zukunft aussieht ist ungewiss. Etwas unsicher verlassen wir das Zentrum. Mit einem erwartungsvollen Blick winkt uns der Direktor zu als wir auf unsere Fahrräder steigen. Es regnet immer heftiger als wir uns wieder in die Stadt aufmachen. Vorbei an den Märkten, vorbei am duftenden Fluss, vorbei am Königspalast. Als es anfängt zu dämmern machen wir uns auf Richtung Villa Hué.

Wir waren hauptsächlich nach Hué gekommen um ein grosses Projekt von Aide au Vietnam und lokalen Partner kennenzulernen. Unser Besuch bei Herr Le Van Dieu war lange im Voraus angekündigt. Mit uns unterwegs war Nga, die Überetzerin für Aide au Vietnam. Herr Le Van Dieu ist ein älterer, weisshaariger Mann, mit einem faltigen Gesicht und einem kräftigen Händedruck. Er ist der Präsident der Association bouddhique philantrophique der Region Quang Tri. In den 90er Jahren hat sich dieser Verein gegründet, der sich seitdem um unterschiedliche Bevölkerungsgruppen kümmert. Die Bedürfnisse sind vielfältig. Von Ausbildung bis hin zur Vorsorge im Alter leistet dieser Verein vor Ort soziale Arbeit. Wie sich dann herausstellt ist Luxemburg in unterschiedlichen Bereichen beteiligt. Von der Finanzierung bis zur Trägerschaft leistet der kleine Verein Aide au Vietnam schon jahrelang Unterstützung. Herr Le Van Dieu, der Verantwortliche vor Ort nimmt sich Zeit, führt uns rum, kümmert sich und lädt uns zum Essen ein. Wir erfahren mehr über die Region, die harten Lebensbedingungen und die Armut. Ein anderes Vietnam, als das was man aus dem Touristenzentrum zu erkennen vermag.

An unserem letzten Tag erkunden wir von oben bis unten die Villa Hué. Laufen mit Kamera und Fotoapparat durch die Räumlichkeiten und Interviewen das Personal das etwas schüchtern vor die Kamera tritt. Beim offiziellen Gespräch mit H. Phuong dem Verantwortlichen der Schule und des Hotels, und Fr. Mai der ehemaligen Schulverantwortlichen kommt es uns vor als plaudern die beiden aus den Nähkästchen. Die Stimmung ist entspannt. Beide sind sehr stolz auf ihr Projekt, auf ihr erarbeitetes Curriculum und die jungen Leute. Die Tourismusbranche ist in Vietnam eine wichtige Einnahmequelle für das Land. Wir fragten nach, wieviele Menschen ein einziger Tourist beschäftigt. Die Antwort war erstaundlich und erschreckend; ein Tourist ermöglicht die Beschaeftigung von 40 Menschen in Vietnam. Die Villa zieht immer mehr jungen Menschen an, da sie Zukunfstperspektiven bietet.Doch die Konkurrenz ist hart. Das Land muss sich nach aussen hin öffnen, internationaler werden und dem Standard der westlichen Welt entgegenkommen, wenn es zukünftig eine Chance auf dem Tourismusmarkt haben will. So ein kleines Fazit unserer Gesprächspartner.

Viele von den Angestellten hoffen, dass sie nach ihrer Ausbildung entweder in der Villa Hué unterrichten können, oder aber in einem guten Hotel eine Anstellung finden. Eine gute Ausbildung ist aber nur die halbe Miete. Vor allem sprachlich müssen die jungen Leute fit sein. Eine Herausforderung, wie uns eine junge Frau verrät. Ganz besonders beliebt ist beim Personal die Aussicht auf den einjährigen Aufenthalt in Luxemburg. Jedes Jahr kommen Lehrer und Lehrerinnen für ein Jahr nach Diekirch. In der Hotelschule Alexis Heck können sie nicht nur ihre Sprachkenntnisse verbessern, sondern sich in unterschiedlichen Bereichen weiterbilden. Hoà ist eine jener gewesen, die 2007 ein Jahr in Luxemurg verbracht haben. Ihr ist vor allem der Schnee und die Ruhe in Errinnerung gebliegen. Während sie von ihrem Aufenthalt erzählt, rutschen ihr ein paar luxemburgische Wörte über die Lippen.

Bevor wir uns weiter auf den Weg nach Saigon machen, werden wir von der Belegschaft der Schule zum Essen eingeladen. Die Têt-Ferien (Neujahrsferien) stehen vor der Tür und die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Etwas ganz Besonders bietet sich uns. Wir können an einer religiösen Zeremonie teilnehmen. Hinter dem Eingang des Büros wird ein Tisch zum Altar umfunktioniert. Dann wird er gefüllt und geschmückt. Ein Hahn steht in der Mitte, Reissuppe und Gemüse, Obst und süsse Bohnen, Räucherstäbchen, Kleider und Geldscheine aus Papier. Alles wird nach bestimmten Regeln eins nach dem anderen auf dem Tisch plaziert. Wir sitzen ruhig in der Ecke und beobachten was dann folgt. Jeder Einzelne nimmt Räucherstäbchen in die Hand fängt diese an, murmelt ein Gebet, hebt die Hände mit den Räucherstäbchen bis zur Stirn und bewegt nach kurzem Innehalten die Hände ein paar Mal auf und ab. Anschliessend werden die Räucherstäbchen in die dafür vorgesehenen Behälter die mit Sand gefüllt sind gesteckt.

Es ist die Zeremonie für die Ahnen. Die Verstorbenen jeder Familie. Das auf dem Tisch bereitete Essen sind Opfergaben und mit dem Gebet, werden die verstorbenen Verwandten eingeladen am Têt teilzunehmen und sich satt zu essen. Denn die Têt-Feier (auch noch Chinesisches Neujahr genannt) ist ein Fest der Familie. Strenge Regeln herrschen bei diesem Zeremoniell und sehr ernst werden die Gesichter während des Gebetes. Anschliessend werden die aus Papier gefertigten Kleider samt falschem Geld verbrannt. Sie sollen den Verstorbenen Reichtum und genügend Kleidung schenken. Wir dürfen bei diesem Feuer dabei sein.

Zu kurz war unser Aufenthalt in Hué, intensiv die Begegnungen, lehrreich die Gespräche und verwirrt die Gedanken. Es scheint, dass wir hier ein anderes Vietnam kennengelernt haben. Wärmer, herzlicher und authentischer. Als wir in den frühen Morgenstunden aufbrechen, winken uns ein paar junge Leute der Nachtsicht zu und rufen Äddi.

(Um die Bildergallerie zu starten einfach drauf klicken.)

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