Mega arranjias, chackras und peruanische Uhrzeiten – Nordperu

Es war sehr früh, als ich vomFlugzeugfenster aus, schneebedeckte Bergspitzen sah. Sie lagen in einemWolkenmeer und die Sonne war gerade aufgegangen. Erst beim zweiten Anblickwurde mir bewusst wie hoch die Anden sein mussten und dass, ich gerade überPeru flog, entlang der Kordilleren. Nach einer schlaflosen Nacht in drei unterschiedlichen Flugzeugen, war ich froh als ich an diesem Mittwoch morgen in Piura, der kleinen Hafenstadt im Norden Perus, ankam. Übersichtlich und klein. Ein Gepäckband um das, die ganzen Ankömmlinge an diesem frühen morgen standen.Taxifahrer, die versuchten dich in ihr Auto zu ziehen und kurz drauf Meike die mich mit offenen Armen empfing. “Buonas dias. Como estas?” Meike arbeitet für “Fairtrade Luxemburg” und ist als Freiwillige bei CEPICAFE in Piura tätig. Während 8 Monaten kümmert sie sich um die Promotion des nachhaltigen Tourismus in der Bergregion um Piura und wird im August die luxemburgische Reisegruppe empfangen und ihnen ermöglichen die “Makers” von Kaffee und Kakao zu treffen. Dazu spricht sie perfekt spanisch und hat sich bereits sehr gut in das peruanische Lebensrythmus angepasst.

In Meikes Gastfamilie wurde ich genauso herzlich empfangen. Vater, Pedro, Mutter, Blanca und Sohn, Martin standen an der Tür und begrüssten mich. Sie hatten mich schon erwartet und riefen mir einen herzlichen “Mucho Gusto” entgegen. Ich bekam an diesem morgen nicht alles mit. Schnell verlor ich mich in dem Haus, wusste nicht mehr wo sich
denn die Treppen zum ersten Stock befanden und turckelte hin und her. Die schlaflose Nacht machte sich bemerkbar. Dazu kam die Hitze, die neue Sprache und die vielen neuen Menschen um mich herum. Viel Zeit zum Ausruhen hatte ich an diesem morgen nicht, denn bereits eine Stunde später stand der Besuch einer Kaffeefabrik auf dem Programm. Nach einer kurzen kalten Dusche und einem netten Frühstück im Zusammensein der Familie, sassen Meike und ich kurz darauf in einem Mototaxi auf dem Weg zur “Planta de caffè”. An diesem ersten Tag in Piura ging es drum die verantwortlichen Personen der Kaffeefabrik zu treffen um ihnen unser Projekt vorzustellen. Denn Meike und ich wollen während meines Aufenthalts im Norden Perus, eine Reihe von Videoaufnahmen machen, die den Weg des Kaffees, des Kakaos und des Zuckerrohrs zeigen und diese Eindrücke in den Aspekt “Nachhaltigen Tourismus” einbinden. Wir hatten also viel zu tun. Die Gespräche in der Fabrik verliefen gut, die Verantwortlichen waren aufgeschlossen und bereit auf unsere Fragen zu antworten.

Als wir am nächsten Tag ankamen herrschte in der “Planta” reges Treiben. Vor der Tür stand eine Reihe vollbeladener Lastwagen. Nach und nach wurden sie hereingelassen um erst abgewogen und anschliessend ausgeräumt zu werden. Eine Reihe schmaler und weniger schmaler Peruaner liefen hin und her und trugen auf ihrem Rücken 60 kg schwere Säcke, die sie in der riesigen Halle autfstapelten. Santiago, ein Mitarbeiter der Abteilung Kaffee, empfing uns und ermöglichte uns die unterschiedlichen Schritte der Kaffeeverarbeitung kennenzulernen. Den Kaffee lagern, reinigen, schlechte Bohnen aussortieren, kontrolle und in Säcke abpacken. Diese Etappen wurden uns im Detail gezeigt und kommentiert. Meike und ich waren überglücklich. Kurz drauf ging es im Laboratorium weiter. Es ging um die cataciòn, der Geschmackkontrolle eines frisch gerösteten und gebrauten Kaffees. Für diese Etappe war Rudolfo zuständig. Etwas Kaffee kosten, anschliessend ausspucken und dazu einen Fragebogen ausfüllen. Und das für unzählige Tassen. Ich war beeindruckt. Dazu kam, dass der ganze Raum vollständig nach frisch geröstetem Kaffee roch. Und das war nicht alles. Da CEPICAFE in der kommenden Woche an einer Schokoladenmesse in Lima teilnehmen sollte, waren andere Mitarbeiter damit beschäftigt, den Kakao zu rösten und ihn dann anschliessend mit Zucker zu schmelzen. Der Geruch war himmlich. Ich wollte nicht mehr weg und hoffte, dass Santiago und Rudolfo uns noch viel zu erklären hatten. Und so war es. Nach der cataciòn, war der Kakao an der Reihe; Fermentation der Kakaobohen, Qualitätskontrolle, rösten und abpacken. Der Tag war vollgepackt und wird abgefüllt mit Schokolade und vielem neuen Wissen. Ein perfekter Tag.

Piura, an sich, ist keine besonders schöne Stadt, staubig und ohne jegliche besonders anziehende Stadtteile. Die Stadt mit rund 300 000 Einwohnern fungiert als Handelstadt und Umschlagsplatz wegen ihrer Nähe zum Meer (Hafen in Paita) und zu Equador. Jeglich das Zentrum könnte man erwähnen. Die Strassen um den “Plaza de Armas” und die Kirche sind erwähnenswert und laden die Bewohner ein, in den kleinen Cafés, Platz zu nehmen und ein Cuzquena, das peruanische Bier, zu bestellen. Die Orientierung in Piura, sowie in den meisten peruanischen Städten erweist sich deshalb einfach, da sie meistens schachbrettartig aufgebaut sind und man in jeder Stadt eine “Plaza de Armas” findet. Als Hauptplatz der Stadt bietet sie sich als idealen Treffpunkt an und besteht meistens aus einem zentralen Platz und einer parkähnlichen Anlage mit Bänken, auf denen man sich ausruhen kann und dem hektischen Treiben auf den umliegenden Strassen zusehen kann.

Lange blieben wir nicht in Piura. Schon einen Tag drauf sassen wir morgens früh im Auto nach Montero. Früh aufstehen galt as. Früh, das kann sechs Uhr sein, sieben oder auch vier Uhr. Denn hier entscheidet der Fahrer selbst wenn er auftaucht. Peruanische Uhrzeiten sind halt anders. Aber eins ist sicher, niemals wird derjenige auftauchen wie es abgesprochen war. Und so kam es, dass wir an diesem morgen noch etwas warten mussten bevor wir vollgepackt und aufbruchbereit im Auto sassen. Die Fahrt dauerte drei Stunden, in einem Auto, das eigentlich nur für fünf Personen galt, sassen schlussendlich sieben Leute. Kalt wurde uns auf der Fahrt nicht. Wir durchquerten zuerst die Aussenbezirke Piuras und kamen nach und nach in immer mehr bewaldete und hügelige Gegenden. Die Sonne schien, das Grün der immer dichter werdenden Vegetation stach mir in die Augen, genauso wie diebeschrifteten Häuser  entlang der Landstrasse. Wahlsprüche, die Namen der damals kandidierenden Präsidente, Kühe und Hühner die durchgestrichen waren, das ganze in knalligen Farben. Wir fuhren hinein in das kleine Dorf an der Grenze zu Equador, Montero, ein acht Tausend Seelend Dorf in den Hängen der Anden. Die Strassen sehr uneben, die Häuser aus Bambus, Lehm und Stroh, Kühe, Schweine und Hühner huschten über die Strasse. Hier wollten wir bleiben um die Kaffeeproduzenten zu treffen, genauso wie den Kakao- und Zuckerrohranbau und deren Verarbeitung genauer unter die Lupe zu nehmen. Eine Woche im tropischen Regenwald. Schnell wurde mir dessen bewusst, denn sobald ich den Blick von der Strasse zum Himmel hob, wurde mir bewusst wie enorm die arranijas (Spinnen) hier waren. Dicke schwarze Punkte schwebten über unseren Köpfen.  Schnell huschte ich in unsere Herberge.

Viel Zeit zum Spinnenbestaunen gab es gottseidank nicht. Auf dem Programm stand die Visite der chakras und ihrer Produzenten. Chakras, respektiv Felder, gibt es in Montero genug.  Gleich am ersten Tag huschten wir durch ein Kakaofeld. Der Produzent Pedro erklärte alles genau, öffnete geduldig eine Kakaofrucht nach der anderen und liess uns die rohen, ungetrockneten, weissen, schleimigen Bohnen kosten. Zaghaft nahm auch ich eine Bohn und steckte sie mir in den Mund. Süss, und saftig und total lecker waren die Kakaobohnen am Anfang ihrer Verabeitung und viel gesünder als die daraus entstehende Süssigkeit. Wir durchstreiften seine chakra. Neben Kakaopflanzen gab es noch Bananen und Maracujabäume. Diese sollen den mittelhohen Kakopflanzen Schatten spenden. Eine Polykultur, die sich selbst trägt. Dazwichen natürlich immer wieder diese arranijas, welche mir mehr als den anderen zu schaffen machten. Denn grösser als die Peruaner, bestand ein grösseres Risiko mit dem Kopf die Spinnenweben dieser ekeligen Insekten zu treffen. Nichts in diesen Aussmassen passierte und Pedro zeigte uns dann auch noch wie die Kakaobohnen fermentieren und getrocknet werden.

Neben der Kakoproduktion galt es in den nächsten Tag die Kaffeeproduzenten zu treffen. Wie schon erwähnt:peruanische Uhrzeiten  sind einfach anders. So kam es halt öfters vor, dass wir startbereit mit Kamera und Mikrofon bei den Wohnungen der Produzenten auftauchten und uns gesagt wurde: “Er ist nicht da”. Auf die Frage: “Wo ist er denn?” oder “Wann kommt er wieder?”, kam die Antwort “No sè!”. Aber das war normal. Hier bestimmte nicht die Uhr den Verlauf des Tages, sondern das Wetter (Regen, Kälteeinbruch) und die natürlichen Bedingungen. Wichtig ist es für die Produzenten einen hochwertigen Kaffee an CEPICAFE zu liefern. CEPICFE wird diesen dann in der Fabrik in Piura weiterverarbeiten, ihn kontrollieren und verschiffen lassen. Nachdem der Kaffee dann in Europa angekommen ist, wird er nach weiteren Kontrollen mit dem Fairtrade Label  an den Konsummenten weiterverkauft. Zum Filmprojekt kam es dann doch noch. Zuerst wurden wir stundenlang durch die Kaffeechakras gescheucht, auf der Suche nach einigen Produzenten. Total verschwitzt standen wir in der Kaffeeplantage und hielten dem einzigen Produzenten das Mikrofon unter sein Kinn und fragten ihn aus. Ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen, erklärte er uns was er macht und schob ab und zu eine handvoll frischer roter und gelber Kaffeebohnen in den Erntesack über seiner Schulter. Nach weiteren Chakravisiten erlaubte man man uns dann auch selbst bei der Ernte mitzuhelfen. Früh morgens standen wir, zusammen mit anderen Peruanern im Feld, und lössten sanft die reifen Kaffeebohnen von ihren Stengeln und liessen die losen Bohnen in die Säcke fallen. Die Säcke füllten sich und die Begeisterung stieg. Die arranjias schauten uns vergnügt zu.

Schliesslich konnten wir noch an der Weiterverarbeitung der frischen Kaffeebohnen teilnehmen, zuschauen wie es abläuft und Fragen stellen. Nachdem die gefüllten Säcke in der kleinen Fabrik in Montero ankamen, werden diese entleert und in eine Maschine gefüllt, welchedie rote Schale entfernt. Nach mehrmaligem Aus- und Abwaschen werden die losen Kaffeebohnen durch einen Kanal geführt und mit Hilfe der Wassergeschwindigkeit gute und schlechte Bohnen voneinander getrennt. Schlussendlich werden dieBohnen zum Trocknen ausgelegt  und nach rund 8 Tagen in Säcke verpackt. Gomasinio, einer der wichtigsten Produzenten des Dorfes, lud uns am gleichen Abend zu sich nach Hause ein um noch etwas detaillierter über die Produktion und den nachhaltigen Tourismus in der Region zu sprechen. Der Abend war sehr aufschlussreich und schnell verstand ich, dass diesem Produzenten viel am Herzen liegt, den Konsummenten den Weg zum Endprodukt und das Leben hier zu zeigen und zu schildern. Denn nur so können kulturelle Unterschiede überwunden werden und mehr Toleranz und Verständnis für den anderen entsehen.

Der Besuch der Panellachakras (Zuckerrohrfelder) führte uns in eine dritte Produktion und Weiterverarbeitung ein. Auch hier galt es sehr geduldig zu sein um filmen und mit den richtigen Leuten sprechen zu können. Und so kam es doch dazu, dass mir Percy an einem Morgen zeigte wie es vom gelblich flüssigen Zuckerrohrsaft zum dunkelbraunen
krümeligen Zuckerrohrpuder kommt. Durch das Aufkochen mit unterschiedlichen Temperaturen und dem energischen und permanentem Umwälzen des kompakten Zuckerrohrbreies entsteht Zuckerrohrpuder, der auf der Stelle verpackt und weitertransportiert wird. Percy der Hauptverantwortliche hatte sich an diesem Morgen extra schick gemacht. Er hatte sein bestes Hemd angezogen und lief mit einer CEPICAF herum, nur damit alles perfekt aussehen sollte.

Neben den unterschiedlichen Produktionen bietet das kleine Dorf in den Anden noch viel mehr. Wanderwege, einen Wasserfall sowie den Besuch des Zentrums der Weberinnen, die einem gerne zeigen wie sie die typischen Tragetaschen und Teppiche der Region weben. Dabei konnten wir auch selbst Hand anlegen und erfahren wieviel Arbeit hinter einem Teppich steckt. Mit viel Geduld liessen sie uns probieren und antworteten gerne auf all unsere Fragen. Die Assoziation der Weberinnen – Vitalinea Nunez – soll den Frauen hier in der Region erlauben auf eigenen Beinen zu stehen und teilweise ihr eigenes Geld zu verdienen und etwas unabhängiger von ihren Männern zu sein. In dieser durch Männer geprägten Gesellschaft ist dies noch lange keine Normailtät.

Neben dieser eher touristischen Aktivität, bietet das Zentrum Runaperu den Einwohnern des Dorfes eine ganz besonderen Service. Ernesto, der Verantwortliche des Zentrums, ermöglicht es behinderten Jugendlichen und Erwachsen im Zentrum aufgenommen zu werden und von unterschiedlichen Therapien und Behandlungen zu profitieren. Da Runaperu regelmässig die Hilfe von Freiwilligen zukommt, ist der Kostenzuschlag der Patienten sehr gering. Dazu kommt, dass ein stationärer Physiotherapist in Montero arbeitet und so die Entwicklung der Patienten verfolgen kann. Ernesto und seine Leute begeben sich jede Woche zu den unzugänglichen Gebieten des Dorfes um sich zu umfragen ob dort seine Hilfe gebraucht wird. Neben Physiotherapie, ist das Zentrum die Anlaufstelle vieler Frauen und Mütter hinsichtlich der Familienplanung und Kindererziehung. Hinzu kommt, dass Ernesto den Kleinen des Dorfes (5 – 12 jährigen) eine Art Miniclub anbietet. So kommen die Kleinen drei Mal pro Woche am Nachmittag ins Zentrum und können dort zeichnen, Musik hören und spielen. Auch ich konnte am Miniclub teilnehmen und mich von den kleinen Mädchen abzeichnen lassen. Ihre Bilder, sowie die sehr positive Erfahrung dieses Zentrum, des Dorfes und seiner Menschen trage ich noch lange bei mir.

Die Zeit in Montero verflog. Nach acht Tagen in der Abgeschiedenheit und inmitten eines kleinen Dorfes, wo die Leute dich jeden Morgen mit einem “Buenos dias” begrüssten, galt es jetzt nach Piura zurückzufahren und anschliessend den touristischen Süden zu entdecken.

Bilder hierzu gibt es in der Gallerie. Viel Spass beim Klicken und Staunen.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

*

You may use these HTML tags and attributes: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>