Von Varanasi bis Neu Delhi – Indien erleben

A1,A1… wo ist A1. Vor uns schob sich eine enorme Menschenmasse her. Es war kurz vor 20 Uhr, in einer viertel Stunde sollte unserer Zug von Kolkata nach Varanasi abfahren. Noch immer wussten wir nicht wohin und man hatte uns vor den indischen Nachtzügen gewarnt. Wir, das sind diesen Monat eine Person mehr. Wir haben Besuch bekommen. Myriam, eine sehr gute Freundin aus Luxemburg wollte diesen Monat Indien miterleben und war seit 2 tagen in Indien. Der Start war gegeben, der Zug immer noch nicht da. Und doch, nach 5 weiteren Minuten fuhr die Lokomotive laut hupend in den Bahnhof ein. Mit einem Ruck erhoben sich alle Leute vom Boden, auf dem sie schon seit Stunden ausharrten, und machten sich auf einen guten Sitzplatz zu sichern.  Es gab Gedränge und eine lange Reihe hatte sich gebildet. A1, da steht es, unser Abteil war auszumachen. Wir huschten in den Zug hinein. Vorbei an anderen Menschen, die hastig ihr Nachtquartier suchten und versuchten so schnell wie möglich ihr Gepäck zu verstauen. Alles ging recht schnell. Zusammen mit einem jungen Mann teilten wir unser Schlafabteil, das durch einen Vorhang vom Flur getrennt war. Die Betten wurden eingerichtet, zwei unten und zwei oben. Zeit zum Schlafen. Wir kannten bereits, diese scheppernden Geräusche des Zuges. Einschlafen unmöglich! Und doch, Magali verbrachte die beste Nacht seit langem. Nicht allen ging es so, denn wie es sich am morgen herausstellte musste Myriam sich gegen die verbalen Anmachversuche unseres Mitfahrers wehren und bekam so wenig Schlaf. Gottseidank stieg dieser recht früh aus und es war ruhiger im Abteil.

Varanasi, die heiligste Stadt der Hindus erwartete uns bei unserer Ankunft. Wie in Kolkata, es war laut, chaotisch, voll von Menschen und Autos. Darunter mischten sich hier noch eine Vielzahl von Kühen und Ochsen, die ungehindert die Strassen überquerten oder einfach mal einen kleinen Moment ungestört in der Mitte der Strasse verweilten. Dabei werden sie geschickt von Auto-, Fahrad und Rikschafahrern umfahren. So wurde auch unsere Rikschafahrt durch das Zentrum Varanasis zu einer regelrechten Zickzackfahrt mit einigen abrupten Bremsversuchen um jeden Zusammenprall mit den heiligen Wasserbüffeln zu vermeiden. Das Ziel unseres Ausfluges; die Ghats (stufenartige Uferbestigung). Durchquert wird die Stadt vom heiligen Fluss Ganges, in dem sich die Gläubigen bei Sonnenaufgang baden. So soll ein Bad in diesem heiligen Wasser von jeglichen Sünden rein waschen. Abends, bei Sonnenuntergang, finden die Huldigungen des Flusses statt, wobai Mantren gesungen werden und vorne am Wasser Blumen, Weihrauch und Feuer als Opfergaben dargeboten werden. Varanasi gilt als Stadt des Gottes Shiva und seit mehr als 2000 Jahren pilgern Gläubige in die Stadt. Als besonders erstrebenswert gilt es für strenggläubige Hindus, in Varanasi  zu sterben und verbrannt zu werden. So sieht man auf der einen Seite der Ghats Gläubige im Wasser baden und wenige Meter weiter wie die Leichen der Verstorbenen verbrannt werden. Die Asche wird anschließend ins Wasser gestreut. In Varanasi zu sterben und verbrannt zu werden soll vor einer Wiedergeburt schützen. Varanasi wirkte auf uns wie eine spirituelle Welle, mit all seinen Traditionen und Ritualen und dem zu entkommen war unmöglich. Und so sassen auch wir abend zwischen den Gläubigen und anderen Touristen und wohneten den Huldigungen des Ganges bei. Früh morgen, bei Sonnenaufgang, konnten wir den Menschen beim baden zuschauen und gleichzeitig den Rauch der Krematorien einatmen.

In Varanasi verbrachten wir 2 Tage und hier trafen wir unseren Fahrer, Omprakasch, mit dem wir die restlichen 15 Tage verbringen wollten. Ein schmaler, dunkelhäutiger Mann mit schwarzen Haaren. Er hatte ein rundes, freundliches Gesicht und ein kleines Lächeln auf den Lippen, als er erfuhr, dass wir seine Gäste sein würden.  Wir hatten uns bei unserer Indienreise für eine bequeme Fortbewegungsart entschieden. Im Auto zu dritt mit einem Fahrer, der die Strassen und Städte Indiens kennt. Über das portal: www.antitatours.com kann man sich für so eine Variante entscheiden. Bei diesem Mini-Reisebüro, handelt es sich um ein indisches Paar, mit Sitz in Delhi, das den Touristen kompetente Fahrer anbietet. Sie, Anita, kümmert sich um das Administrative, er, Bangali, selbst Fahrer, berät die Kunden über mögliche Reiserouten und kutschiert selbst die Kunden durch das Land.

Wir waren startklar. Vor uns lagen rund 1600 km und eine Vielzahl von Menschen, Kühen, Hunden und Affen, die ganz spontan die Strasse überquerten. Wir durchquerten kleine ärmliche Dörfer, wo die Menschen sich vor den kleinen Baracken versammelten um sich mit dem Wasser des Brunnens zu erfrischen. Wir entdeckten Fahrzeuge, die eigentlich nicht mehr fahrttüchtig sein sollten, wurden von farbig angemalten Lastwagen überholt und mussten immer wieder darauf gefasst sein, dass Omprakasch ab und zu mal die Autotür öffenen würde um sich des Kautabaks in seinem Mund zu entleeren.Es war halt anders, es war Indien.

Nächster Halt Khajuraho.  Bekannt ist diese Stadt für den Tempelbezirk, welcher einer Gruppe von 20 Tempeln im Zentrum und in der näheren Umgebung der Stadt Khajuraho umfasst. Heute zählen sie zum UNESCO-Weltkulturerbe und sind durch ihre erotischen Skulpturen bekannt. Nahezu alle Tempel Khajurahos wurde von den Herrschern der Chandella-Dynastie zwischen 950 und 1120 erbaut. Die Mehrzahl der Tempel ist den hinduistischen Hauptgöttern geweiht. Zudem erkennt man an den Reliefs der Tempelwände schöne Mädchen, zärtliche Liebespaare mit kleineren Begeleitfiguren und eine Vielzahl von erotischen Darstellungen. Wir schlenderten hindurch, nahmen uns Zeit uns die Wände anzusehen und liessen uns von einem Guide die genauen Details der Figuren erklären. Der Tag verlief friedvoll und Omprakasch, besorgt, um seine drei Schafe, wartete abends, nach einer Aufführung auf uns, damit wir ja auch sicher in unserem Hotelzimmer landeten.

Nach einem kleinen Zwischenstop in Orchha, erreichten wir Agra, die Stadt des Taj Mahals. Erschöpft und total genervt fuhren wir in die Stadt hinein. Wir hatten gerade 200 km, das heisst 6 Stunden Fahrt hinter uns. Auch Omprakasch war froh im Hotel angekommen zu sein und sich ausruhen zu können. Auf dem Weg dahin mussten wir einen tödlichen Unfall mit ansehen und feststellen, dass der tödlich Verunglückte von den andern Verletzeten nur mal so auf die Seite gelegt wurde und, dass dann der Verkehr weiter läuft. Von Krankenwagen und Polizei keine Spur. Agra ist eigentlich eine hässliche Stadt. Laut, verschmutzt und chaotisch. Und so wird der Besuch des Taj Mahals hier zum Highlight. Nach der Kontrolle beim Sicherheitspersonal treten wir ein in eine schön angelegete Parkanlage, wir schreiten durchs Tor und unser Blick fiel auf das hohe weisse Monument am Ende des Parks. Das Taj Mahal. Um uns, eine Schar von Touristen, die den gleichen Ausblick hatten und diesen einzigartigen Moment festhalten wollten. Die Frisuren wurden zurecht gemacht und das beste Lächeln aufgelegt. Die Fotoapparate klicken. Wir machen uns auf den Weg zum Mausoleum. Erbaut im Jahr vom Grossmogul Shah Jahan als Gedenken an seine, im Jahr 1631 verstorbene, wurde dieses Monument  im Jahr 1983 in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen. Wegen der perfekten Harmonie seiner Proportionen gilt es als eines der schönsten und bedeutendsten Beispiele des Mogulstils in der islamischen Kunst. Freitags ist die Sehenswürdigkeit geschlossen und wird aussschlieeslich als Gebetsstätte der muslimischen Bürge genutzt. Als wir barfuss auf dem Sockel des Mausoleums ankommen, kommen einem die Dimensionen noch mächtiger vor. Hohe weisse Wände, die leicht schimmern, die Kuppel majestätisch, die vier Minaretttürme ragen hoch in den Himmel hinaus. Wir umrundeten das Gebäude, genossen den direkten Hautkontakt mit dem kalten Marmor, wagten eine Blick ins Innere und wurden gleich wieder weiter geschleusst. Nach einigen Stunden endete der Besuch und wir verliessen zufrieden die Gartenanlage des Taj Mahals. Bevor wir die Stadt verliessen, besuchten wir noch schnell das Agra Fort, eine Festungs- und Palastanlage aus der Epoche der Mogulkaiser und diente im 16. und 17. Jahrhundert mit Unterbrechungen als Residenz der Mogulen.

Wir wollten etwas Abwechslung. Nach einigen Städten, die vollgepackt waren mit indischer Geschichte und indischer Bevölkerung sehnten wir uns nach etwas Natur und Ruhe. Keine Monumente und weniger Menschen, so lautete das Moto für die nächsten Tage. Nach einer guten Stunde Fahrt erreichten wir den indischen Staat Rajasthan. Der touristisch am besten erschlossene Staat Nordindiens hatte vornerein einen Vorteil; viel bessere Strassen. Das Vorankommen war sicherer und schneller und so kamen wir kurzerhand auch in Bharatpur an. Bekannt und sehr beliebt bei den Indern ist hier der Keoladeo Nationalpark. Dies Vogelparadies beherbergt eine Vielzahl von Vogelarten. So überwintern in den Sumpflandschaften des Parks Wasservögel aus Afghanistan, Turkmenistan, China und Sibirien.  Wir hatten uns ein Fahrrad gemietet und durchstreiften den Park, auf der Suche nach unterschiedlichen Vögeln und Tieren. Immer wieder wollten uns die Wärter Aufschlüsse geben und immer wieder wollten die Menschen wissen von wo wir kommen. Da blieb es auch nicht aus, dass wir mal auf dem einen oder anderen Familenfoto mit drauf waren. Aber das waren wir ja schon gewohnt. Sehr kontaktfreudig sind sie und manchmal etwas aufdringlich.  Aber hier nicht. Es gab keine hupenden Autos, keine Menschenmassen oder Kühe und Hunde die einen ständig zwangen den Weg zu ändern.  Sehr erholsam kam uns dieser Tag in der Natur Indiens vor und so anders.

Wir drangen noch etwas weiter in den Rajasthan ein. Pushkar war unser letztes Ziel bevor wir dann nach Jaipur zurückkehren wollten und von dort aus in die Hauptstadt fuhren. Die Strassen wurden immer staubiger und enger. Weniger Menschen, Dünen und eine Masse von Tempeln. Pushkar ist ein kleiner Ort nahe der Wüste Thar, gelegen am heiligen Pushkarsee. Bekannt ist dieser Ort durch den einzigen Brahmatempel Indiens. Jährlich pilgern viele gläubige Hindus zum See, um sich reinzuwaschen und ihre Familie und Gesundheit zu segnen. Wir verbrachten 2 Tage in Pushkar, liessen uns von der spirituellen Kraft des Ortes in den Bann ziehen, unternahmen einige Wanderungen zu den Tempeln auf den umliegenden Gipfeln und genossen den einen oder anderen Nachmittag bei einer Tasse Kaffee in unserem Lieblingslokal.

Vor uns lag jetzt noch eine letzte Stadt, bevor wir die Hauptstadt erreichen würden. Jaipur, die Hauptstadt des Bundesstaates Rajasthan. Das berühmteste Wahrzeichen von Jaipur ist der Hawa Mahal (Palast der Winde). Diese Konstruktion diente den zahlreichen Damen des Hofes, die sich nicht unter das einfache Volk begeben durften, als Beobachtungsposten vor allem bei den beliebten Prozessionen. Zudem konnten wir während unseres eintätigen Ausfluges noch zwei weitere Forts, ein Observatorium und ein Wasserpalast besuchen. Die Stadt erinnerte uns an die zahlreichen anderen Städte, die wir bereits in Indien besucht hatten. Etwas neues bat sie trotzdem. Wir lösten unseren Blick für einen kleinen Moment von den Strassengeschnissen und konnten auf den Dächern  eine Affenbande sehen. Einem nach dem anderen huschten sie von Dach zu Dach, überquerten geschickt die Kabelübergänge und versammelten sich von Zeit zu Zeit um die Gruppe zusammen zu halten. Und dann als wir automatisch unsere Köpfe drehten um die Strasse zu überqueren, erblickten wir einen Elefanten, der gemütlich auf uns zu trottete. Ein Tier mehr, was solls.

Wir liessen Jaipur hinter uns. Auf uns warteten 300 km Fahrt, also 7 Stunden im Auto. Die Fahrt nach Delhi, dauerte ewig. Auf Schritt und Tritt mussten wir auf Baustellen aufpassen oder total übergewichtige Fahrzeuge an uns vorbei lassen. Umso spannender war die Einfahrt in den Staat Delhi, wo sich für unseren Fahrer sowie für uns eine ganz andere Welt auftat.

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